Renate Babnik

Meine erste Freundin (ich war 3) hieß Amira und kam aus dem Sudan, sie sprach Russisch und ich auch und sonst nichts. Wir lebten als Nachwuchs studentischer Eltern ein fantastisches Kinderleben in einem internationalen Studentenwohnheim in Moskau. Amira ist der Grund, warum ich (unter anderem) Afrikawissenschaften studiert habe.
Deutsch lernte ich später in Deutschland. Das war hart. Plusquamperfekt war mir jahrelang ein Gräuel. Heute kann ich nicht nur Plusquamperfekt, sondern bin Diplom-Journalistin und Germanistin und PR-Beraterin – oder, wie meine Mitmenschen sagen: halb Mensch, halb Duden.
Die Liebe zur Sprache und zum sprachlichen Repertoire in verschiedenen Situationen haben mich in die Welt begleitet – als Dozentin an der Fremdsprachenuniversität in Tianjin/China, als Lektorin in einem Lernsoftware-Unternehmen in Montpellier/Frankreich, als Konzeptionerin in einer PR-Agentur in Heidenheim an der Brenz. Pressearbeit, Messeauftritte auf der Frankfurter Buchmesse, der Achema, der interpack oder der CeBIT, Kundenmagazine, Onlinekommunikation – alles war bei mir auf dem Tisch, und es war eine hervorragende Schule für ganzheitliches Denken.
Aber noch wichtiger ist: Ich traf Nele. Sie war eine Agenturkollegin, hatte sehr oft anstrengenden Liebeskummer, war aber eine begnadete Schmuck- und Grafikdesignerin. Wir betreuten Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrt und dem Maschinenbau, globale Hidden Champions des Mittelstands, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Nele schulte meinen Blick und mein Gespür für das optisch Schöne, für das Feine, Filigrane, Passende, für Design, Bilderwelten, Typografie und Buchkunst. „Auch Fachleute sind keine emotionslosen Aliens“, sagte sie. Nele war die Inspiration für meine zweite Liebe: Grafikdesign. Ich studierte nochmals. Heute kreiere ich Logos und layoute Materialien für Tagungen, Programme für Konzerte und individuelle Glückwunschkarten.
Das Berufsleben ging irgendwann ohne Nele im Bundesministerium des Innern weiter. Dort organisierte ich jährlich die zweitägige Behördenleitungstagung des Bundes, kommunizierte an die Fachpresse die Themen des Ministeriums und schrieb Reden für drei Hausleitungen nacheinander. Die Minister und ihre jeweilige Ära hätten unterschiedlicher nicht sein können, aber eines war immer gefragt: Kommunikation ohne Chichi.
Heute arbeite ich in Teilzeit bei der Deutschen Krebsgesellschaft, vermarkte auf allen Online- und Offline-Kanälen Veranstaltungen wie den Deutschen Krebskongress, die Verleihung des Deutschen Krebspreises, die Autumnschool für Medizinstudierende, den interdisziplinären Kongress Quality of Cancer Care oder die Diskussionsrunde Brennpunkt Onkologie. Eine meiner heutigen Freundinnen heißt Selma. Sie ist mutig, zuversichtlich, die blanke Energie und eine großartige Konzeptionerin und Projektmanagerin. Sie hat mit ihrem Leben, ihrem Denken und Handeln Grenzen überschritten und zeigt anderen, wie das geht. Für sie steht hinter dem Wort Zukunft niemals ein Fragezeichen. Sie ist die Unruhestifterin meiner jüngsten Vergangenheit, meine Mentorin. Deshalb bin ich heute Unternehmerin: als Expertin für Tagungskommunikation.
Das Bild fotografierte Peter-Paul Weiler, berlin-event-foto in den Räumen des Survivors Home in Berlin.